Das Eine-Welt-Haus e.V. und der Weltladen Wetzlar hatten Besuch aus Sizilien. Begleitet von Martin Klupsch vom Fairhandelszentrum Rheinland berichtete Francesco Galante von der Arbeit der Organisation Libera Terra, einem Verband von Kooperativen, die sich dem Widerstand gegen die Mafia verschrieben haben..
Sizilien ist eine der strukturschwächsten Regionen Europas, die Arbeitslosenquote ist sehr hoch. Fast alle Lebensbereiche sind dort durchdrungen und kontrolliert durch die Mafia. Seit 1982 kann der italienische Staat per Gesetz Güter der Mafia konfiszieren, welche dadurch an die Kommunen fallen. Dieses meist viele Jahre brach liegende Land kultivieren die zu Libera Terra gehörenden Kooperativen, indem sie dort z.B. Tomaten, Wein und Getreide in biologischer Landwirtschaft anbauen. Das Land bleibt dabei im Besitz der Kommunen, doch die Flächen werden endlich wieder genutzt und Arbeitsplätze werden geschaffen. Wesentlicher Faktor dabei ist, dass sich Libera Terra dabei konsequent dem Einfluss der Mafia entgegensetzt. Die Organisation war 1995 in einer „emotionalen Reaktion“ auf die brutalen Mafiamorde an den beiden Richtern Paolo Borsellino und Giovanni Falcone gegründet worden, erzählte Galante. Die Idee sei dabei gewesen,dass nicht nur Richter und Journalisten, sondern auch „normale Leute“ wie Arbeiter und Bauern sich gegen die Mafia engagieren können.
Die erste landwirtschaftliche Kooperative wurde 2001 gegründet, denn man wollte auch eine wirtschaftliche Alternative zur Mafia schaffen. Anfangs hatte man gegen große Widerstände zu kämpfen, denn die Mafia ließ Traktoren stehlen und brannte die Felder ab. Die einheimische Bevölkerung, seit Jahrzehnten im Griff des organisierten Verbrechens, war gegenüber „den Fremden“ misstrauisch, berichtete Galante, der selbst einst als Freiwilliger zu Libera Terra gestoßen war und inzwischen dort als Pressesprecher tätig ist. Dabei war es von Anfang an die Idee von Libera Terra, nicht nur gute Qualität und eine starke Marke zu schaffen, sondern vor allem auch legale und fair bezahlte Jobs.
Es dauerte drei Jahre, bis die erste Kooperative schwarze Zahlen schrieb und die Einheimischen ohne Angst in Kontakt mit der Organisation traten. Ausgehend von Sizilien breitete sich das Modell auch auf andere Regionen Süditaliens, z.B. Apulien, aus. Doch nicht nur der Anbau selbst wird „mafiafrei“ betrieben. Auch die Betriebe, in denen die Produkte weiterverarbeitet werden, müssen sich konsequent der Mafia verweigern. Zum Beispiel gehört die Fabrik, in der die Zitronen einer der Kooperativen zum Limoncello, einem Likör, verarbeitet werden, der Bewegung „AddioPizzo“ an, welche die Zahlung sogenannter „Schutzgelder“ (= „pizzo“) an die Mafia ablehnt. Die Geschäftsleute, die sich darin engagieren, gehen damit ein großes Risiko ein. Martin Klupsch zeigte von seiner Sizilienreise im Januar einige Bilder. Darunter die Focacceria San Francesco in Palermo mit traditioneller sizilianischer Küche, deren Besitzer zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht im Hause war, denn „es stehen kein Polizeiauto und keine Bodyguards vor der Tür“. Offene Gewalt wird seitens der Mafia jedoch inzwischen nicht mehr so oft angewendet, man bedient sich anderer Mittel, um die unliebsamen Widerständler unter Druck zu setzen. So werden zum Beispiel AddioPizzo-Betriebe auffällig öfter als andere Unternehmen Betriebsprüfungen unterzogen, denn der lange Arm der Mafia reicht bis in alle Ebenen der Verwaltung und der Politik.
Nach der Präsentation probierten die Besucher der Veranstaltung verschiedene Produkte von Libera Terra. Die Rezepte für die beiden italienischen Nudelsalate mit verschiedenen Pastasorten können Sie gerne nachmachen